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Digitales Mindset – der Grundbaustein für die Zukunft?

Aktualisiert: 15.07.2021 Publiziert: 15.07.2021

Eine Hand zeigt auf abstrakte Symbole zur künstlichen Intelligenz.

In Unternehmen hört man immer mehr: „Wir brauchen Digitales Mindset“. Super, noch ein Buzz-Word wie New-Work, Agile Strukturen… und was heißt das genau? Müssen wir in Zukunft alle auch programmieren können, oder bedeutet es einfach eine andere Grundhaltung zu schnelleren Entwicklungen, Veränderungen von Strukturen und Abläufen im Unternehmen und den digitalen Prozessen?

Während die „klassischen“ ERP-Systeme eher flexibel wie eine Bahnschiene sind, ist die Anforderung an die heutige IT, sich ständig anzupassen. IT-Entwicklungen von heute sind morgen schon wieder nicht mehr digital oder automatisiert genug. Die Technologien der Zukunft sind nur schwer greifbar. Unter Schlagwörtern wie Blockchain und KI können sich viele nichts vorstellen.

Janine Lampprecht, Geschäftsführerin von Grenzlotsen, und Christian Schmidt, ein gefragter Redner auf Business-Events für globales Handelsmanagement und Technologie, haben sich über „Digitales Mindset“ ausgetauscht. „Digitales Mindset“ wird oft beschrieben als die Grundhaltung gegenüber neuen Technologien, und das Verständnis, dass digitalisierte Prozesse Einfluss auf unser Leben, unsere Arbeit und Kommunikation nehmen.

 

Janine Lampprecht: Christian, was würdest du sagen, was bedeutet für dich „Digitales Mindset“, und was braucht ein Zollexperte dafür?

Christian Schmidt: Gerade auf dem Weg zur Optimierung in der Zollbranche ist ein Digitales Mindset Voraussetzung. Das Wichtigste hier ist, sich mit dem Thema Digitalisierung zu befassen und sich darauf einzulassen.  Das Vertrauen, der Glaube daran und die Akzeptanz der bereits stattfindenden Veränderung sind die entscheidenden Schritte, ein Digitales Mindset zu entwickeln. Die Entwicklung, in der wir uns gerade befinden, beispielsweise in der Industrie, führt zu immer schnelleren, automatisierten und multifunktionalen Produkten.

 

Was meinst du mit darauf einlassen und daran glauben? Hat das etwas mit Motivation zu tun oder damit, auch den typischen Bedenkenträger, den wir ja in der Zollwelt brauchen, mal „zurückzustellen“? Beispielsweise beim Thema Künstliche Intelligenz und Einreihung: Viele sagen, das Thema Zolltarifierung ist so ein hoheitliches Gebiet, da bedarf es der menschlichen Expertise… meinst du so etwas mit „der Glaube daran“?

Naja, man muss sich doch eigentlich die Frage stellen: Warum sollte man nicht daran glauben? Was ist an der bisherigen Weise gut, warum sollen sich die Dinge nicht verändern? „Das war schon immer so“ oder „das war schon immer gut“ sind Aussagen, die nach Weiterentwicklung rufen, sowohl für Organisationen als auch für die Menschen. Menschen arbeiten in Prozessen und nutzen Werkzeuge wie IT-Programme. Was wir früher mit Stift und Block aufgeschrieben haben, wurde anschließend auf der Schreibmaschine abgetippt und wird heute als Datei auf dem PC gespeichert. Laufende Prozesse und Technologien müssen immer weiterentwickelt werden, was zwangsläufig dazu führt, dass wir immer digitaler werden. Dies bedeutet auch, dass der Mensch in einem Unternehmen seine festen Abläufe und Prozesse immer wieder kritisch betrachten und anpassen sollte.

 

Das heißt also, dass Digitales Mindset auch bedeutet, dass wir Menschen an unserer Grundhaltung arbeiten müssen, Prozesse und Abläufe immer weiter zu überprüfen und zu optimieren. Früher waren die Definitionen der Prozesse viel langlebiger. Heute ist es so, dass heutige Abläufe und Gewohnheiten morgen schon wieder neu gedacht werden müssen. Oder was meinst du?

Ja, absolut. Die ganze Welt ist schnelllebiger geworden. Wirtschaftsunternehmen sind geprägt von diesem industriellen Denken und Handeln. Dieses „Industrial Mindset“, was wir bisher gelebt haben, ist geprägt von Standardisierung. Führungskräfte haben immer exakt geschaut, was ihre Mitarbeiter machen, die Zusammenarbeit war anders, man hat mehr auf sich selbst geschaut, und auch die Rolle der Informationen war eine ganz andere. Wenn man das nun versucht zu übertragen auf das „Digitale Mindset“, dann ist das heute alles nicht Standard, sondern spezifisch. Die für Kunden zugeschnittene Lösungen spielen mittlerweile eine wichtigere Rolle . Hat man früher eher Standards abgeliefert, schaut man heute genau hin, wer sind meine Kunden, und findet dann eben maßgeschneiderte Lösungen.

 

Beim Digitalen Mindset geht es auch um den Menschen, der die richtigen Eigenschaften entwickeln sollte. Was glaubst du, welche Fähigkeiten fehlen aktuell, und wie kann man das als Unternehmen bei den Mitarbeitern fördern? Glaubst du, die Menschen brauchen einfach Zeit oder gezielte Weiterbildungen zu digitalen Geschäftsprozessen?

Bei uns im Unternehmen, als Beispiel, setzen wir im Fachbereich die Schwerpunkte auf „People, Processes and Technologies“. Man benötigt sein Handwerkszeug, die sogenannten Tools, dann die Abläufe und Prozesse, und natürlich die Menschen, die mit diesem Werkzeug diese Abläufe durchführen. Diese drei Komponenten sind sehr eng miteinander verzahnt. Für die Motivation wäre auch wichtig, den Menschen Erfolgsgeschichten aufzuzeigen, wo Digitalisierung schon umgesetzt wurde. Nur dann können sie anfangen, daran zu glauben. Letzten Endes entsteht dann auch erst diese Aufbruchstimmung, der dann andere folgen und anfangen, sich dafür zu interessieren.

 

Diesen Punkt, dass man den Menschen Erfolgsgeschichten aufzeigt, die es schon gegeben hat, und dadurch auch zeigt, dass es geht, finde ich sehr interessant. So motiviert  und begeistert man die Menschen für dieses Thema.

Ja, richtig. Viele Themen kann man auch außerhalb des eigenen Fachbereiches finden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Führen – über Grenzen und über den eigenen Tellerrand hinaus. Dort gibt es bereits diese Fallbeispiele. Die Kunst besteht dann darin, die Anwendung für den eigenen Fachbereich zu finden. Aber die gibt es – ich glaube, es gibt heute kein Industrie-Unternehmen mehr, das keine Digitalisierungsinitiative hat. Wenn wir ehrlich sind, erwartet ja keiner Vollautomatisierung. Selbst wenn es nur 20 oder 30 Prozent sind, sind es eben diese 30 Prozent Erleichterung. Das wiederum schafft Freiraum, um sich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

 

Wie ist das bei euch im Unternehmen? Gibt es bei euch da ein Zeitkontingent oder eine Art Struktur, nach welcher ihr das aufbaut? Ich persönlich sehe nämlich bei diesen Digitalisierungs-Themen immer die Gefahr, dass man sich verzettelt.

Verzetteln kann man sich in der Tat sehr schnell. Es ist aber tatsächlich sehr wichtig, dass man mal abschweift, und den Zoll im Jahre 2050 versucht für sich zu definieren, in welche Richtung es denn gehen kann. Ein wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung ist, wenn man auch vergleicht, wie andere große Firmen oder Plattformen entstanden sind oder was sie stark gemacht hat. Diese haben sich auf die wesentlichen Punkte konzentriert: Sind die Sachen, die umgesetzt wurden, skalierbar? Kann man sie schnell umsetzen? Schnell bedeutet in der Regel auch immer fehleranfällig, aber genau diese Fehler muss man erlauben.  Denn die kann man dann analysieren und verbessern.

 

Ja, das sehe ich genauso. Diese kleinen Quick-Wins, um die Menschen zu motivieren. Ein sogenanntes ständiges Update!

Ja, richtig. Dieses permanente Nochmal-nachsehen, wo kann ich nochmal ran. In Unternehmen gibt es da viele Möglichkeiten. Man könnte Task-forces bilden, Menschen kommen zusammen, können sich austauschen, Netzwerke oder Communities entstehen.

 

Ich bin da ganz deiner Meinung. Ich sehe aber auch die Gefahr, gerade bei kleineren Unternehmen, dass man sich ziemlich fokussieren muss, um gewisse Budgets oder Kontingente, die man sich gesetzt hat, nicht zu überschreiten. Es ist unheimlich schwierig, hier den richtigen Mittelweg zu finden.

Ja, kann ich sehr gut nachvollziehen. Jedes Unternehmen, ob groß oder klein, muss da seinen eigenen Weg finden und entscheiden, worauf es seinen Fokus legt. Du hast das auch schon richtig gesagt, zum Thema Verzetteln: Man muss sich einfach klar machen, was gibt es auf der Welt, was kann es geben, und wo sieht man sich. Dazu braucht man jemanden, der das dann in kleine machbare Portionen packt. Das heißt, der Manager oder die Führungsperson dahinter ist ganz entscheidend, um letzten Endes zu helfen, die ganzen Dinge gemeinsam umzusetzen.

 

Ja, es braucht die Unterschiedlichkeit im Team: einerseits die super Organisationstalente, die vielleicht nicht besonders kreativ sind, aber Ergebnisse einfordern können. Es braucht aber genauso die Kreativen und Visionäre. In diesen Projekten kommt es dann tatsächlich auf die Zusammensetzung der Teams an und die vielfältigen Stärken und Rollen, die hier zusammenkommen müssen.

Ja, richtig. Für jedes Thema sollte man die richtigen Leute zusammenbringen und sich aber auch nicht scheuen, das Team dann zu verändern, wenn es nötig ist. Prozesse entwickeln sich weiter, genauso wie die Menschen auch. Man braucht Visionäre, die sich in der Zukunft verlaufen, aber auch diejenigen, die sie wieder einfangen und in die Realität zurückholen. Dann kann eine richtige, konstruktive Konversation stattfinden, in der man feststellt: Das ist die Zukunft und das ist die Realität, und diese und jene Schritte braucht es, um in diese Zukunft zu gelangen. Man tauscht sich in der Gruppe aus und nutzt die vorhandene Schwarmintelligenz, um so ganz neue Ideen zu generieren.

 

Christian, was kannst du also als Fazit aus unserem Gespräch ziehen?

Einfach machen! Die Fachbereiche sollten einfach damit beginnen, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen, nichts auf die lange Bank schieben. Möchte man mitgestalten, dann sollte man auf diesen Zug aufspringen. Oder man ist in der komfortablen Situation zu warten, die Fehler der anderen zu analysieren und zu nutzen, um dann die Lösung zu implementieren. Dann allerdings hat man gegebenenfalls  Aufholbedarf und einen möglichen Nachteil.

 

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